Forschungszentrum Hermeneutik und Kreativität

6. Hermeneutik und Kreativität christlicher traditio

Leitung: PD Dr. Dr. Christian Hild

 

Die derzeitige Gemengelage von Pluralisierung, Globalisierung, Individualisierung und Säkularisierung zeigt Auswirkungen auf das Verständnis der christlichen traditio: die facettenreiche Überlieferung von christlichen Symbolen, Begriffen, Riten, Gesten, deren Formen der Lehre und deren Verkündigung stößt bei einem Großteil der Bevölkerung im Zuge einer Enttraditionalisierung auf Unverständnis in zweifacher Hinsicht: Zum einen verstehen weite Teile der Bevölkerung – besonders in säkular geprägten gesellschaftlichen Kontexten – die christliche traditio nicht mehr, zum anderen fehlt es diesen an einem diesbezüglichen Sprachrepertoire, um einen Verstehensprozess einzuleiten. Der Begriff der traditio wird bewusst – im Unterschied zur Tradition – gewählt, da er aufgrund seiner Polysemiotizität das Traditionsgut, den Traditionsakt, die Tradenten und die Akzipienten subsumiert.

 

Auf das Prinzip von Hermeneutik und Kreativität gewendet, erwachsen hermeneutische Impulse aus der Übersetzung der christlichen traditio auf zwei Ebenen: Zum einen richtet sich der Blick auf die im Alltag begegnenden gesellschaftlichen, zeitlichen und kulturellen Überformungen bzw. Übersetzungen der christlichen traditio. Ein derartiges Prisma eröffnet die Möglichkeit weiterführender Interpretationen der christlichen traditio als Einflussfaktor auf die Kultur und als ein von der Kultur geprägtes Symbolsystem.

 

Zum anderen stellen sich die Fragen, welche Aspekte der christlichen traditio auf den Ebenen des Religionsunterrichts und des Gottesdienstes so (intralingual und intersemiotisch) übersetzt werden können, dass sie auch von christlich nichtsozialisierten, anders- und nichtreligiösen Bevölkerungsgruppen verstanden werden können, und welche hermeneutischen Impulse im Umkehrschluss aus derartigen Übersetzungen für die christliche traditio freigelegt werden können. Übersetzung versteht sich hier nicht als interlingual, sondern als intralingual und auch intersemiotisch.

 

Dieser Forschungsschwerpunkt bietet Grundlagenarbeit für die oben genannten zwei Ebenen bezüglich einer allgemeinen Überwindung der Distanz zwischen der christlichen traditio und der Alltagswelt bzw. auf die hermeneutischen Impulse, die aus derartigen Übersetzungen hervorgehen und neue Interpretationsmuster für die christliche traditio freilegen.

 

Der Fokus richtet sich auf den Religionsunterricht als ein Forschungsfeld, auf dem die oben genannten Problemanzeigen prägnant zum Ausdruck kommen – v.a. bei zunehmende religiös-weltanschaulich heterogenen Lerngruppen und dem steigenden Anteil einer konfessionslosen Schülerschaft –, im Blick auf (intralinguale, intersemiotische) Übersetzungen von christlichen Symbolen, Bildern, Sprachformen, Gesten, Begriffen und Sprachformen:

 

  1. Worin bestehen die Chancen und Grenzen der Übersetzung und der Transformation christlicher Traditio?
  2. Wie können SchülerInnen selbst zu einer religiöse Sprachbildung und Kommunikation in sach- und subjektorientierter Hinsicht befähigt werden?
  3. Wie ist das pädagogische und didaktische Gerüst eines Religionsunterrichts zu modellieren, der SchülerInnen dazu befähigen will, selbstbestimmt und selbstwirksam sensibel für religiöse Sprachen und Translationen zu werden?

 

5. Juristische Hermeneutik und Fachübersetzung <<  >> 7. Übersetzen und Performativität

 

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