Forschungszentrum Hermeneutik und Kreativität

3. Übersetzung als translatio studii

Aktuelles Projekt (Arbeitstitel):

 

Die europäische Idee der Religionsfreiheit aus dem Geist des Spätmittelalters und der Renaissance

 

Das Prinzip der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist der Ausdruck einer neuen positiv-religiösen Grundkraft, die für das Jahrhundert der Aufklärung bestimmend und für sie schlechthin eigentümlich ist (…) So bekennt sich die Aufklärung wieder zu jenem Grundsatz, den, drei Jahrhunderte zuvor, Nikolaus Cusanus geprägt hatte; so tritt sie mit allem Nachdruck für die Identität der Religion in aller Verschiedenheit der Riten und in allem Gegensatz der Vorstellungen und Meinungen ein.


Ernst Cassirer. Die Philosophie der Aufklärung. Tübingen 21973. S. 219ff.

 

 Konzept:

 

Im Zeitraum vom Spätmittelalter bis zur Wende zum 16. Jahrhunderts soll sich das geplante Projekt im verstärktem Maße geistesgeschichtlichen Entwicklungslinien von prä-religionswissenschaftlichen Methoden und Denkweisen widmen. Hierbei steht die Identifikation und Rekapitulation von Ideen und Forschungsansätzen im Vordergrund, die sich einer inhaltlichen und kontextuellen Erschließung sowie einem grundsätzlichen irenischen Forschungsinteresse fremder Religionen mit den Mitteln eines Konzeptes der menschlichen Vernunft widmen. Sofern bereits Ansätze und/oder grundlegende intellektuelle Voraussetzungen für ein Konzept von religiöser Toleranz erschlossen werden können, so sollen diese in den Mittelpunkt des Projektes gerückt werden. Ebenso soll die Entwicklung zu einer anthropologischen Wende und, sofern möglich, deren Interrelation mit der Herausbildung des Gedankens von religiöser Toleranz untersucht werden. Quellengrundlage stellen hierbei theologische, philosophische, ethnologische sowie auch historische Werke der ausgehenden Hoch- und Spätscholastik sowie des Humanismus und der Renaissancephilosophie dar.

 

Ziel ist es einer ideengeschichtliche Ab- und Ausgrenzung vorreformatorischen Gedankenguts aus der Entwicklungsbeschreibung der geistigen Wurzeln religiöser Toleranz in der Aufklärung entgegen zu wirken, um so dem Ziel näher zu kommen eine vollständige und ganzheitliche Beschreibung der Herausbildung des Gedankens der religiösen Gleichberechtigung und Toleranz in Europa aus der Geistesgeschichte Europas selbst erklären zu können.

 

 

 

 

Projekt (abgeschlossen):

 

Translatio Europae?

Kulturelle Transferdiskurse im Kontext des Falls von Konstantinopel

 

Eine sogenannte islamische Herausforderung Europas ist kein singulärer Zustand der Moderne, sondern lässt sich vielmehr epochenübergreifend an vielen Krisenmomenten in der Geschichte Europas nachweisen und untersuchen. Hierbei sticht jedoch gerade ein Ereignis aufgrund seiner Tragweite, Rezeption und Bedeutung für das Europa der Moderne heraus – der Fall von Konstantinopel am 29. Mai 1453 und die anschließende Ausbreitung des Osmanischen Reiches in Europa. Für die zeitgenössischen Humanisten bildete neben der maßgeblichen christlichen Identität auch diese Verwurzelung in der Gelehrtenkultur und politischen Gedankenwelt der Antike ein elementares Strukturmerkmal Europas. Als ideelles Entstehungskonzept fungierte hierbei jeweils ein Verständis einer translatio studii, translatio imperii wie auch einer translatio religionis:

 

Durch die Christianisierung sei in der Vergangenheit das Christentum aus Asien nach Europa übertragen und dort zunächst in Rom und dann in Konstantinopel zur Blüte und Vollendung geführt worden. Durch die für die Humanisten nun allgegenwärtige Wiederentdeckung des antiken Gedankenguts in der Renaissance strömte erneut das antike griechisch-hellenistische Wissen von Griechenland (Konstantinopel) und Asien nach Rom, wo es seine Übertragung und Vollendung erfuhr, um sich in ganz Europa zu verbreiten. Nach dem Fall Konstantinopels sahen sich benannte europäischen Humanisten vor die Herausforderung gestellt, die Osmanen und den Islam in diese Translationskonzepte, in diese translatorischen Wege und Weltentwürfe zu integrieren.

 

Weiterführende Literatur:

    • Balivet, Michel: Pour une concorde islamochrétienne. Démarches byzantines et latines à la fin du Moyen-Âge (de Nicolas de Cues à Georges de Trébizonde). Rom 1997.
    • Garber, Klaus: Die Friedens - Utopie im europäischen Humanismus: Versuch einer geschichtlichen Rekonstruktion, in: MLN 101 (1986). S. 516-  552.
    • Gründer, Mirko: Liebe deine Feinde! Turkophilie im 15. Jahrhundert, in: Deecke, Klara / Drost, Alexander (Hgg.): Liebe zum Fremden. Xenophilie  aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Berlin 2010. S. 67-85.
    • Figl, Johann: Philosophie der Religionen. Pluralismus und Religionskritik im Kontext europäischen Denkens. Paderborn u. a. 2012
    • Flasch, Kurt: Der Papst schreibt an den Sultan: Pius II. an Mohames II. im Jahre 1461. Basel 2011.
    • Hankins, James: Renaissance Crusaders. Humanist Crusade Literature in the Age of Mehmed II., in: Dumbarton Oaks Papers 49 (1995). S. 111-  207.
    • Höfert, Almut: Den Feind beschreiben. Türkengefahr und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450 - 1600. Frankfurt a. M./ New York 2003.
    • Höfert, Almut: Die “Türkengefahr” in der Frühen Neuzeit, in: Schneiders, Thosten G. (Hg.): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Wiesbaden 2009. S. 61-70.
    • Kelly, Douglas: Translatio studii. Translation, Adaptation, and Allegory in Medieval French Literature, in: Philological Quarterly 57 (1978). S. 287-310
    • Mertens, Dieter. Europäischer Friede und Türkenkrieg im Spätmittelalter, in: Duchhardt, Heinz (Hg.): Zwischenstaatliche Friedenswahrung inMittelalter und Frühe Neuzeit. Köln u. a. 1991. S. 43-90.
    • Meserve, Margaret: From Samarkand to Skythia: Reinventions of Asia in Renaissance Geography and political Thought, in: Martels, Zweder von / Vanderjagt, Arjo (Hgg.): Pius II. `El Più expeditivo Pontifice`. Leiden 2003. S. 13-39.
    • Schwoebel, Robert: The shadow of the crescent. The Renaissance image of the turk. Nieuwkoop 1967.
    • Worstbrock, Franz Josef: Translation Artium. Über die Herkunft und Entwicklung einer kulturhistorischen Theorie, in: Archiv für Kulturgeschichte 47 (1965). S. 1-2.

 

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